Genügt Kunst sich selbst oder hat sie darüber hinaus eine Aufgabe in der Gesellschaft? Das ist die Frage, die mich gerade beschäftigt und die ich in diesem Artikel etwas beleuchten möchte.
In diesen denk-, frag-, und zunehmend merkwürdigen Zeiten wurde die Kunst mal eben als nicht systemrelevant eingestuft. Problem: die „Künstlerschaft“ hat keine Gewerkschaft und schon gar keine Lobby, die sich in diesen schwierigen Zeiten für sie hätte stark machen können.
Was kann Kunst alles leisten?
Zunächst einmal möchte ich da die ästhetisch schöne Kunst ansprechen. Hier meine ich Gemälde, in die wir abtauchen, uns weg träumen können oder die eine beruhigende meditative Wirkung auf uns, also den Betrachter, haben. Benötigen wir nicht gerade in diesen brisanten Zeiten, wo die ganze Welt und wir mit ihr aus dem Gleichgewicht gefallen sind, als Gegenpol etwas Schöngeistiges, um wieder ein bisschen in Balance zu kommen, in unsere Mitte zurück zu finden? Für die Lösung der mannigfaltigen Herausforderungen, denen wir aktuell gegenüber stehen, sicherlich ein guter Platz, von dem aus wir besonnene, weitsichtige und weise Entscheidungen treffen können.
Kunst als Ergänzung zum Geschichtsbuch
Der Realismus und Naturalismus kann über das Schöngeistige hinaus aber auch noch einen konservierenden Aspekt haben, sozusagen als Erinnerungsspeicher und Ermahner fungieren. So können uns beispielsweise Landschafts- und Naturgemälde, die eine erhabene, wundervolle und vor allem intakte Natur zeigen, daran erinnern, dass es diese unbedingt zu erhalten und zu bewahren gilt. Oder man denke nur an das „Albert-Dürer-Schwein“. Das „Albrecht-Dürer-Schwein“ ist ein mittelalterliches Hausschwein, das durch fortwährende Züchtungen ausgestorben war. Dank Albrecht Dürer, der das damalige Hausschwein so detailgenau festgehalten hat, ist es möglich gewesen, dieses mittelalterliche Hausschwein wieder rückzuzüchten.
Impressionistische Gemälde können Situationen und Stimmungen ihrer Zeit wunderbar widerspiegeln und transportieren, so dass der Betrachter die dargestellte Situation/Szene nachempfinden kann. Diese Gemälde legen damit ein Zeitzeugnis ab, vielleicht sogar besser als jedes Geschichtsbuch dies kann.
Exkurs ins 16. Jahrhundert
Apropos Geschichte: machen wir doch mal einen ganz kleinen Exkurs zurück ins 16. Jahrhundert. Die meisten Menschen hier konnten weder lesen noch schreiben, waren Analphabeten. Wie hätten sie die Heilige Schrift lesen sollen? Die damalige Malerei ging also weit über die Dekoration in der Kirche hinaus, sie sollte dem Betrachter auch die Heilige Schrift in Bildsprache vermitteln.
Kunst als Antidepressivum?
Heute morgen musste ich mich aus dem Bett quälen, selten war eine heißersehnte Urlaubswoche so trüb. Für Ende Mai ist es viel zu kalt und es regnet Bindfäden, was natürlich ein Segen für die Natur ist. Der Regen ist noch nicht mal das Schlimmste, nein, das Schlimmste ist, dass es nicht richtig hell wird. Dieser düster-trüb-verhangene Himmel resoniert gerade perfekt mit der düsteren Depriwolke in mir, die sich aus tiefsten Tiefen langsam aber stetig immer weiter in meinem Körper vortastet, immer mehr Raum einnimmt und mich innerlich wie äußerlich schwer fühlen lässt. Erdrückend, erschöpfend. Schließlich lockt mich der Gedanke an eine Tasse Kaffee dann aber doch aus dem Bett und bewaffnet mit meiner Kanne Kaffee habe ich es tatsächlich an meinen Laptop geschafft, froh eine Aufgabe zu haben. Also machen wir weiter!?
Aus dieser meiner heutigen Stimmung heraus frage ich mich, ob die Kunst mich auch in dieser Stimmungslage abholen und vielleicht sogar ja aus dieser heraus holen kann. Kunst als Trostspender? Spontan fällt mir gerade „Der Schrei“ von Edvard Munch ein. Für einen kurzen Moment hätte ich heute morgen auch gerne mal einen Schrei getan. Lindert in dieser Situation die Betrachtung von Kunst meine momentane Not? Ich muss an Frida Kahlo denken, was für eine außergewöhnliche, starke Frau, die ihre Wunden, Verwundungen und Traumata in ihren Bildern so
klar und deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Wie heißt es doch: ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Beeindruckend, wie sie ihr Schicksal gemeistert hat und in ihrer kurzen Zeit auf dieser Erde dem Leben soviel wie möglich abgerungen hat. In ihren Bildern transportiert sie für mich eine Stärke im Leid, die auch mir wieder Mut und Kraft gibt.
Kunst als Narrativ?
Für Beuys, der in diesen Tagen 100 Jahre alt geworden wäre, war jeder Mensch ein Künstler, der die Gesellschaft mitgestalten sollte. Sich gesellschaftlich einmischen, das wollten auch viele Künstler in den 60er Jahren mit neu konzipierten und kreierten Kunstformen.
Damit schließt sich die Frage an, ob es die Aufgabe von Kunst ist, der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten und Gesellschafts- und Sozialkritik zu üben? Kann politische Kunst überhaupt etwas bewirken? Veränderung beginnt in den Köpfen der Menschen. Bekanntlich denken wir in Bildern. Und hier kann politische Kunst vielleicht ein leises Wachrütteln, ein Reflektieren und Nachdenken auslösen, in dem sie entweder mit schockierenden Bildern arbeitet oder aber mittels Bildsatire und Karikatur Missstände pointiert aufzeigt, wie dies z.B. in der Street-Art passiert, ich denke hier natürlich an Banksy. Manchmal kann ein Bild eben eine bestimmte Situation viel besser wiedergeben als Worte dies vermögen, es erreicht den Betrachter viel direkter. Werte und Emotionen können so vermittelt werden, die möglicherweise den Menschen als Orientierung und/oder als Narrativ dienen können. Auf jeden Fall ist es gut, sinnvoll und wünschenswert, durch diese Art von Kunst möglicherweise zu einem Perspektivwechsel zu kommen. Sie kann auch provozieren und zum Diskurs führen.
FAZIT: Kunst ist systemrelevant
Allein dieser kleine Artikel zeigt doch, wie wichtig und sehr wohl systemrelevant Kunst doch ist. Eine Welt ohne Kunst ist schlicht undenkbar. Und so denke ich, um zur Eingangsfrage zurück zu kommen, hat Kunst eine Aufgabe in der Gesellschaft? – ja hat sie, und nicht nur in, sondern auch vor allem für die Gesellschaft!
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